Verlagsleiter Fred Lautsch inmitten seiner Bücher, die bei Sammlern deutschlandweit beliebt sind | Foto: rügen aktuell

Niemals einfach nur Bücher machen

Mückenschwein-Verlag fördert das sinnliche und politisch relevante Buch

Als 1992 in Lichtenhagen gegen Fremde gehetzt wurde, entstand das öffentlich Klischeebild des rechtsradikalen ungebildeten ostdeutschen Neonazis. Dem wollten Fred Lautsch und Ronny Hübner etwas entgegensetzen. Denn aus ihrer Perspektive gab es auch die andere Seite: den Free Jazz, die Lyrik, den Punk und die die Kunst – und um diesen Jugendlichen eine Stimme und einen Ort zu geben, gründeten sie mit anderen den Verein Jugendkunst e.V. Dieser veranstalte nicht nur Workshops, sondern produzierte von Beginn an auch handgemachte Bücher im Selbstverlag.
2007 erschien „Dieses Buch sollte mir gestatten, den Nah-Ost-Konflikt zu lösen, mein Diplom zu kriegen und eine Frau zu finden“ von Sylvain Mazas. Das Comic-Buch war so erfolgreich, dass ein eigener Verlag gegründet werden musste, um die Arbeitsschritte besser koordinieren zu können. Fantasietierchen aus der Keramikwerkstatt des Vereins gaben später den passenden Namen für das Projekt, mit dem die hybride Form zwischen Literatur und Bild gepflegt werden sollte. Und nun war er da: der Mückenschwein-Verlag.
Die Macher Fred Lautsch, Percy Penzel und Sylvain Mazas verstanden sich nie als reine Dienstleister für Autoren, sondern wollten Bücher machen, deren Idee sie überzeugt hat. „Wir wollten für jeden Inhalt die passende Form finden“, so Fred Lautsch. „Wenn sich im Buch eine Frau in das kuschelige Fell eines ‚geilen Keilers‘ verliebt, dann haben wir versucht das auch haptisch nachvollziehbar zu machen.“ Viele der im Verlag erschienenen Bücher verknüpfen Text und Bild. Doch die meisten besitzen zusätzlich eine Qualität, die auch andere Sinne, wie den Geruch oder den Tastsinn anspricht.
Bis heute ist jedes Buch ein Gesamtkunstwerk, an dem viele beteiligt sind. Die begrenzten Druckmöglichkeiten in der Spielkartenfabrik Stralsund stellen dabei eine willkommene Beschränkung dar. „Fotobücher können wir nicht machen, doch wir sind auf Illustrationen spezialisiert“, so Verlagsleiter Fred Lautsch und verweist darauf, dass gezeichnete Bilder oft viel mehr erklären, als Fotografien. Als der Lyriker und Videokünstler Radjo Monk ein Buch mit Fotografien von Edith Tar machen wollte, hat Fred Lautsch diese einfach in Linolätzungen umgesetzt.
Zu den aktuellen Projekten gehört ein weiterer Gedichtband für den Stralsunder Autor Gunter Lampe. Dabei wurde komplett auf den Computer verzichtet. Das Buch in einer Auflage von 300 Exemplaren wurde im Linotype-Bleisatz umgesetzt und mit Original-Lithographien ergänzt. Auch die Sassnitzer Lyrikerin Irmgard Senf lässt gerade ihren neuen Gedichtband „Halblicht“ im Verlag fertigen.

Mit gutem Erfolg werden die Bücher aus dem Mückenschwein-Verlag auf Messen in ganz Deutschland verkauft. Doch im kommenden Jahr geht der Verlag nach Braunschweig. Was vielen mittelständischen Unternehmen nicht gelingt: den Betrieb rechtzeitig in jüngere Hände zu übergeben – hier ist es gelungen. Minni Rehmann und Anton Ohloff werden den Verlag am anderen Ort fortführen.

Weitere Informationen:
www.mueckenschwein.de

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