Das Nationalpark-Zentrum mit dem 118 Meter hohen Königsstuhl wird 2020 16 Jahre alt. | Foto: Nationalpark-Zentrum KÖNIGSSTUHL, Lehmann

Den Königsstuhl von unten sehen

Am Abstieg zum Ostseestrand scheiden sich die Geister

Der Königsstuhl im Nationalpark Jasmund ist ein Wahrzeichen der Insel Rügen. Auch wenn der Maler Caspar David Friedrich vermutlich die Wissower Klinken zum Vorbild für sein berühmtes Gemälde genommen hat – ohne den Königsstuhl besucht zu haben, verlässt kaum ein Rügenbesucher die Insel. Während sich nach 1990 noch Kolonnen von Reisebussen über die Kopfsteinpflasterstraßen quälten, darf heute nur noch der öffentliche Personennahverkehr mit Motorkraft in die Stubbenkammer fahren. Alle anderen müssen laufen oder eine der bereitgestellten Mitfahrmöglichkeiten nutzen. Man bedenke, dass jährlich zwischen 500 000 und 800 000 Menschen den Königsstuhl sehen wollen.
Nicht nur die Kreidefelsen stellen ein wichtiges Zeugnis einer lebendigen Naturlandschaft dar. Im Nationalpark gibt es außer dem Steilufer und der Ostsee, Moore und Kalktrockenrasen, Blockstrände und Quellen, Niederwald und Buchenwald. Und jeder dieser Lebensräume bildet mit den dort heimischen Tieren und Pflanzen einzigartige und schützenswerte Gemeinschaften.
Die große Herausforderung für die Insel besteht darin, einen Ausgleich zu finden zwischen der Sehnsucht der Menschen, die natürlichen Sehenswürdigkeiten möglichst hautnah zu erleben und dem dringend notwendigen Schutz der Landschaft.
Der geschäftstüchtige Sagarder Pastor Heinrich Christoph von Willich (1759–1827) ließ 1994 Stufen in den Hang schlagen, damit seine Gäste den Abstieg zum Königsstuhl sicher wagen konnten. Er hatte kurz zuvor in Sagard seine Brunnen-. Bade- und Vergnügungsanstalt erschaffen und suchte nun nach Wegen, seine Gäste möglichst gut unterhalten zu können. Seine „Lustpartien“ mit der Kutsche führten von Sagard zum 118 Meter hohen Königsstuhl. Der Abstieg über die 600 Stufen nahe der „Kleinen Stubbenkammer“ war der Höhepunkt dieses kleinen Abenteuerausflugs.
Doch nachdem im Mai 2016 ein Baum auf den unteren Teil der Treppe fiel, wurde der Abstieg gesperrt und soll auch nicht wieder installiert werden. Denn nahe Hangteile gelten als stark abbruchgefährdet.

Für die Bürgerinitiative, die sich gebildet hat, um für eine Reparatur zu kämpfen, ist die Sicherheitslage nur ein Vorwand. Sie kritisiert unter anderem, dass eine der attraktivsten Rundwanderungen an der Kreideküste nun für viele Menschen zu anstrengend wird. Wer in Lohme den Abstieg nahm, um am Steilufer zu wandern, hatte mit dem Königsstuhl nicht nur ein perfektes Ziel, sondern konnte auch über den Hochuferweg zurückwandern. Nun müssen sie den mehrere Kilometer entfernten Abstieg am Kieler Bach nutzen.

Zum Ausgleich soll eine Aussichtsplattform erbaut werden, frei schwebend über dem Königsstuhl. Doch das Nationalparkamt hat auch die Treppe am Abstieg noch nicht zurückgebaut, weil der Diskussionsbedarf zu diesem kontrovers behandelten Thema immer noch sehr hoch ist.

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