Das Kap mit den zwei Leuchttürmen
1. Oktober 2020An Rügens Nordspitze der Natur so nah
Wenn der Wind um Rügens Nordkap pfeift und die letzten Blätter von den Bäumen weht, ist es hier am schönsten. Dann ist die ganze Urkraft, die von diesem besonderen Ort ausgeht, am stärksten spürbar. Bei einem Spaziergang oberhalb der Steilküste wird das Herz bei einem Blick auf die offene See weit. Mit etwas Glück kreisen Seeadler über die Köpfe hinweg. Der Gellort ist der nördlichste Punkt – und zugleich auch einer der sonnenreichsten. Eine hölzerne Treppe führt hinunter zum Siebenschneiderstein. Wer den Hochuferweg in Richtung Dranske entlang wandert, kommt auch durch den Märchenwald mit seinen bizarr geformten Bäumen. Es duftet nach würziger Erde – und Pilzen. Wer sich für den Weg in Richtung Vitt entscheidet – das zauberhafte Fischerdorf mit seiner ockerfarbenen, achteckigen Kapelle – kommt auch dem Peilturm mit seiner gläsernen Kuppel ganz nah. Die Tür steht Besuchern ganzjährig offen. In seinem Bauch riecht es nach frisch gemahlenem Kaffee. Der Turmherr Stefan Krause und sein Kollege Otto von Wittow servieren feinsten vollmundigen peruanischen Kaffee (Pacha Mama) und einen würzigen äthiopischen (Sidamo) – mit Milch und Zucker und manchmal auch mit Musik. Eine Wohltat nach einem langen Herbstspaziergang. An den Wänden hängen Kleidungsstücke aus Lateinamerika sowie Schmuck und Kunsthandwerk aus Spanien, Italien und Ungarn. Das Angebot erinnert an einen Weltladen. „Genau das ist unser Ziel. Wir versuchen Artikel aus verschiedenen Teilen der Welt anzubieten, zum Beispiel aus Skandinavien, Tadschikistan und Australien, aber auch regionale Produkte“, erzählt Stefan Krause, der das Geschäft gemeinsam mit der Peruanerin Asucena Vega Sandoval betreibt. Ursprünglich aus dem Havelland stammend, hat der gelernte Koch etwa 15 Jahre in Berlin gelebt. Im Jahr 2018 hat es ihn an das Nordkap geweht. Inzwischen ist er hier angekommen: „Das Kap Arkona ist mein zweites Zuhause.“ Stefan Krause und Otto von Wittow haben viele Pläne. So möchten sie den Ort im Jahr 2021 noch mehr beleben und unter der Kuppel – von 2004 bis 2017 hatte hier Schmuckdesigner Nils Peters seinen Arbeitsplatz – Veranstaltungen wie Yoga, Lesungen und Konzerte anbieten. Otto plant Führungen über das Kap Arkona. Von der Spitze des 1927 errichteten und als Seefunkfeuer genutzten Marinepeilturms reicht der Blick weit über die Insel Rügen und die Ostsee.
Am Fuße des Turmes befindet sich die Tempelburg Arkona. Hier finden Ausgrabungen statt. Diese lassen sich besonders gut vom Peilturm aus beobachten. Von der militärischen Nutzung des Nordkaps zeugt auch die Bunkeranlage, deren Lüftungsrohre noch heute aus dem Boden ragen. Um 1915 wurde der erste Bunker auf dem Plateau errichtet. Die wechselvolle Geschichte Arkonas spiegelt sich in den Kunstwerken wider, die in Ateliers am Kap und auf dem nahen Rügenhof in Putgarten entstehen. Vor dem Künstlerhaus an der Königstreppe thront der hölzerne Götze Svantevit, Gott der Götter aller Slawen. Funde vom Steinstrand werden zu Schmuckstücken verarbeitet. Aus einem Donnerkeil wird ein Kettenanhänger, Bernsteine werden in Ringe eingearbeitet.
Wahrzeichen des Nordkaps sind die beiden Leuchttürme. Der kleinere von beiden, der 1826/27 in Ziegelbauweise errichtete Schinkelturm, wurde 1902 vom nebenstehenden Leuchtfeuer abgelöst. Verliebte können im Schinkelturm den Bund für das Leben schließen – und sich als Zeichen ihrer Verbundenheit mit Namen auf einer Steinplatte am Fuß des Turmes verewigen lassen. Wer bleiben möchte, mietet sich eine Ferienwohnung direkt vor Ort.
Das Flächendenkmal Kap Arkona, zu dem auch die Nordspitze und das Fischerdörfchen Vitt gehören, ist für den privaten Autoverkehr gesperrt. Kutschen, Bahnen und Busse bringen Besucher, die weniger gut zu Fuß sind, vom Großparkplatz Putgarten in den hohen Inselnorden. Empfehlenswert ist auch ein Bummel durch den Ortskern von Putgarten mit seinen schmucken Häuschen, dem Rügenhof mit seinem Gutshaus, dem Käutergarten und den ehemaligen Ställen, in denen sich Cafés und kleine Geschäfte befinden. Wer das Kap Arkona verlässt, nimmt oft mehr mit als ein Andenken an diesen Ort. Denn an keinem anderen Platz auf der Insel rüttelt der Wind so stark an trüben Gedanken wie am Kap
Arkona.
Weitere Informationen:
www.kap-arkona.de und
www.sallqa-pacha.de