Ein lebendiger Ort des Miteinanders

Streiflichter aus 700 Jahren St. Katharinen Kirche Trent auf der Halbinsel Walung

Die Westküste Rügens ist der Eingangshafen der Christianisierung. Im Mai 1168 landete ein dänisches Heer unter
Führung des Bischofs Absalon von Roskilde und belagerte die Tempelfestung Arkona, die kapitulierte. Doch die Festung Charenza nördlich von Venz (in der Kommune Trent gelegen), das weltliche Machtzentrum der Ranen, war noch unbesiegt. In dieser Situation vermittelte Granza, ein slawischer Edler, zwischen den Dänen und den slawischen Fürsten in Charenza. Granza hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Charenza kampflos übergeben wurde und die Dänen zu einem maßvollen Friedensschluss bereit waren. Granza stammte aus dem Land Schaprode, von einer noch heute imposanten slawischen Fluchtburg auf der Halbinsel Walung (alter Name für die Halbinsel Schaprode-Trent), und wurde der Begründer des Ortes Granskevitz im heutigen Kirchspiel Trent. Wie die Platensche Familiengeschichte erzählt, trug er als einer der ersten einen modernen Plattenpanzer, was ihm den Namen „cum Platen“ einbrachte und ihn zum legendären Stammvater dieser Familie machte.

Betrachten wir die Topografie von Trent, dann ist zu erkennen, dass Trent immer von Wasser umgeben war. Inmitten von Wiesen und Weiden befindet sich eine erhöhte Fläche, der Standort der St. Katharinen Kirche. 1732 schreibt dazu der ehemalige Trenter Pastor Ernst Heinrich Wackenroder: „Es scheinet, als wenn der Ort Trent vor uralten Zeiten mag unter Wasser gestanden sein.“ Wenn die Deiche brechen oder die Entwässerungspumpen ausfallen, ist der Ort von Boddenwasser umgeben, so dürfte die Deichsicherung auf der Halbinsel angesichts des Klimawandels zur Überlebenfrage werden.

In der auf um 1318 datierten Roskilder Matrikel, einem dänischen Abgabenverzeichnis, wird die Kirchengemeinde als „ecclesia in Thorente“ erstmals erwähnt. Die Granitfünte in der Taufkapelle stammt als das älteste Ausstattungsstück unserer Kirche aus der Zeit um 1300, also aus einem Vorgängerbau der jetzigen St. Katharinen Kirche, die um 1400 beginnend mit dem Chorraum errichtet wurde. Wenig später wurde das Kirchenschiff angefügt und am Ende des 15. Jahrhunderts zur dreischiffigen Hallenkirche erweitert. Weithin sichtbar prägt die Trenter Kirche die Landschaft. Ihre erhebliche Größe und die Qualität ihrer Ausstattung verdankt sie zwei Faktoren: ihrer zentralen Lage auf Westrügen und den engen Beziehungen zu den umliegenden Gütern. Die Lage am nordwestlichen Rügener Landweg, der Heringsstraße nach Vitt auf Wittow, hat im Spätmittelalter dazu beigetragen, dass Trent aufgeblüht ist. Matthaeus Normann schreibt in seinem „Wendisch-Rügianischen Landgebrauch“: „Im Land Rügen sind drei gemeine Landwege. Der eine geht von der großen Vitte auf Wittow durch die Altenkirchener Wiek nach der wittowschen Fähre darüber nach Trent, durch Ganschvitz, durch Gingst, durch die Landower Wedde nach Rothenkirchen (…). Diese Landwege soll niemand bei Strafe von 9,– Mark versperren, verschließen, umgraben, daß es verhindert wird zu reiten, zu fahren, zu gehen oder mit Vieh zu treiben“. Hier in Trent zweigte außerdem der Landweg zum damaligen Wallfahrtsort Schaprode ab.

Der imposante Kirchturm stammt in seinen unteren Teilen aus dem Spätmittelalter. Er wurde 1602 aufgestockt und 1616 mit der welschen Haube versehen, zu dem Wackenroder bemerkt, der Stralsunder Nikolaikirchturm sei vom Trenter Vorbild „abgekupfert“ worden. Aufgrund der Lage am Wege existierte in Trent zur Betreuung der Reisenden und Kranken eine St. Jürgen Kapelle, die um 1570 abgebrochen wurde. Das Bedelt, ein Kollektenbrett, stammt aus dem Spätmittelalter und ist jetzt Leihgabe im Bibelzentrum Barth.

Die Agrarkonjunktur im 16. Jahrhundert brachte wie überall in Pommern auch Trent eine Blütezeit. Dies fand auch sichtbaren Ausdruck in der neuen evangelischen Kirchenausstattung mit Kanzel und Altar sowie der Ausmalung im Stil der Renaissance, die eine Besonderheit unter den Rügener Kirchen darstellt und 2007 restauriert werden konnte. Der Dreißigjährige Krieg erweist sich als katastrophaler Einschnitt. Pastor Jacob Brauer, dessen Porträt in der Taufkapelle zu betrachten ist, musste im Jahre 1628 mit seiner Gemeinde auf die Insel Hiddensee flüchten, um der Gewalt der kaiserlichen Truppen zu entweichen und das nackte Leben zu retten. Nach der Rückkehr war die Orgel zerstört und die Kirchenausstattung geplündert. Überall war es zu verheerenden Verwüstungen, zu Hungersnöten und Seuchen gekommen. Für die ungezählten Verstorbenen gab es nicht einmal ausreichend Särge. Mit der Verteidigung Stralsunds und dem Eingreifen König Gustav Adolfs II. von Schweden auf der Seite der Protestanten im Jahre 1630 geriet das Herzogtum Pommern in die Interessensphäre Schwedens und 1648 unter schwedische Herrschaft. Der Wiederaufbau gelang nur schrittweise.
Schließlich kam es im 18. Jahrhundert zu einer Agrarkonjunktur, zumal die Erträge auch durch neue Anbau- und Zuchtmethoden gesteigert werden konnten. Die Blüte der Schwedenzeit ermöglichte die eindrucksvolle Neuausstattung im Stil des Barock. 1752 – 54 schuf der Stralsunder Künstler Michel Müller den Altar, den Taufständer und den evangelischen Beichtstuhl. Erst 1861 konnte die im Dreißigjährigen Krieg zerstörte Orgel durch einen Neubau von Friedrich Albert Mehmel ersetzt werden.

Durch das 2006 gestartete Projekt Wegekirche wurde die Kirche zu einer Oase der Ruhe und zu einem spirituellen Ort inmitten des Tourismus entwickelt. Durch große Unterstützung der Einwohner, der Kommune und ehemaliger Trenter konnten 2016 zwei neue Glocken gegossen werden und damit der Friedenszustand des Geläutes wiederhergestellt werden.

Im September 2018, zum 700. Geburtstag der Trenter Kirche, wurde auf die wechselvolle Geschichte zurückgeschaut und daran erinnert, welche Kraft die Menschen gefunden haben, um nach tiefsten Einbrüchen und Zerstörungen ihre Kirche als einen Ort der Hoffnung wieder aufzubauen. Bis heute ist St. Katharinen ein lebendiger Ort des Miteinanders von Jung und Alt. „Walung“, den 900 Jahre alten Namen der Halbinsel Schaprode-Trent, sollte jeder Insulaner dem Vergessen entreißen.

Die Wegekirche Trent mit der Ausstellung „Kirchen, Güter und Kulturlandschaft Westrügen“ ist von April – Oktober täglich von 9.30 – 17.30 Uhr geöffnet.

Text: Martin Holz

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