Statt Leistung zählt heute Spaß

Olaf Ludwig ist dem Radsport nach wie vor verbunden

Mit den Olympischen Spielen, der Fußball-EM und vielen anderen Wettkämpfen gilt 2024 zu Recht als ein „Jahr des Sports“ Auch viele regionale Ereignisse tragen dazu bei. So wird das Wochenende am 12. und 13. Oktober Radsport­begeisterten auf den herbstlich bunten
Alleen von Deutschlands größter Insel viel bieten: vom Radeln in Familie über ruhige Straßen und Wege bis hin zu längeren Strecken für den anspruchsvollen Radsportler. Die „Tour d´Allée“ feiert 30-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass sprach rügen aktuell mit Organisator und Radsport-Legende Olaf Ludwig.

Schon in Jubiläums-Stimmung?
Ja klar. Wir freuen uns, dass sich die Tour im Verlauf der Jahre zu einer bekannten Veranstaltung entwickelt hat. Zehntausende Radsportbegeisterte nahmen bisher teil. Auch ehemalige Sport-Champions wie Rudi Altig, Waldemar Cierpinski, Wolfgang Hoppe, Mario Kummer, Sven Ottke, Uwe Raab, Jan Ullrich und viele andere ließen es sich nicht nehmen mitzuradeln. Diesmal sind übrigens die Radsportasse André Greipel und Jens Voigt wie auch Skispringer Jens Weißflog dabei.

Puh! Kann da auch ein Gelegenheits-Radler mithalten?
Auf alle Fälle. Bei der großen Tour kann wirklich jeder mitfahren. Ich rede von der Veranstaltung, die in Stralsund startet. Dann geht es als Highlight über die Rügenbrücke weiter durch die Alleen nach Sellin. Wir brauchen etwa drei Stunden für die kanpp 54 Kilometer. Hier steht im Vordergrund, dass man sich unterhalten kann. Auch mit den Prominenten. Wenn man gemeinsam etwas macht, ist es nämlich leichter, miteinander ins Gespräch zu kommen. Beim Jedermann-Rennen „RügenChallenge“ geht es dann eher hart zur Sache. Das ist eine andere Nummer.

Früher stand Leistung in ihrem Leben im Mittelpunkt: Training, Training, Training. Und heute?
Heute ist es der Spaß am Fahrradfahren. Und nicht mehr Zeit und Geschwindigkeit. Ich helfe Leuten gern und sage immer, die die vorne fahren, brauchen die wenigste Hilfe. Unterstützung brauchen die, die hinten sind. Und da findet man mich. Man nennt mich dann schmunzelnd auch den „König der Cappucinogruppe“.

Wie sieht heute ihr Alltag aus?
Ich fahre mit dem Rennrad vielleicht noch viereinhalb Tausend Kilometer im Jahr. Ich bin gern in Bulgarien, wo ich mit meinem Partner und guten Freund Jörg Strenger Touren organisiere. Mit meiner Firma bin ich Veranstalter für bestimmte Radgeschichten, wie jetzt auch auf Rügen, wo ich, allein durch die Vorbereitung der Touren im Jahr bestimmt sechs Mal bin. Hin und wieder bin ich auf Mallorca als Guide gebucht, begleite im Erzgebirge Veranstaltungen, bekomme Anfragen für Vorträge. Und – nicht zu vergessen – ich möchte natürlich auch noch Golf spielen, meist Charity-Turniere. Außerdem bin ich für Radwelt-Store, die in Gera sitzen, Markenbotschafter.

Das klingt nach einem vollen Terminkalender. Wenn Sie so häufig auf Rügen sind, haben Sie einen Lieblingsplatz?
Wir haben da so ein Ritual: Zunächst gibt es bei unserer Ankunft lecker Fischbrötchen in der Pommernkate. Das ist Standard. Und natürlich sind wir auch jedes Mal ausgiebig in Sellin unterwegs.

Für viele Menschen waren Sie zu Friedensfahrt-Zeiten ein Held. Vermissen Sie alte Zeiten?
Nein. Alles hat seine Zeit. Natürlich hat die Friedensfahrt mehr oder weniger jeden DDR-Bürger geprägt. Man konnte sich dem gar nicht entziehen. Es war das best vermarkteste Sportereignis der DDR: Es gab fahrende Übertragungswagen, Live-Zielankünfte, 25 Minuten Zusammenfassung vor der aktuellen kamera, NBI, ND, Junge Welt … alle haben davon berichtet. Und das über zwei Wochen. Ich bin neun Mal Friedensfahrt mitgefahren – das ist eine Dekade – und damit bin ich nach Täve Schur einer, der dieses Ereignis natürlich mit geprägt hat.

Diese Ära ist zu Ende….
Was das Anliegen der Friedensfahrt betrifft, müsste es heute jede Woche eine geben. Aber das ist natürlich unrealistisch. Die Friedensfahrt, wie wir sie erlebt haben, wird es nie wieder geben. … dass da drei Länder so zusammenarbeiten – und auch den sportlichen Stellenwert, den die Friedensfahrt bei den Amateuren damals hatte – das ist vorbei.

Ihr persönlicher Blick auf den Sport in Deutschland?
Schwierig. Das liegt nicht an den Sportlern oder Ehrenamtlichen, sondern bestimmte Strukturen sind einfach weg.

Sie waren für viele ein Vorbild. Die gibt es heute kaum noch.
Genau. Wir haben keine großen Vorbilder mehr. Mit Boris Becker und Steffi Graf gab es so viele, die Tennis spielen wollten. Jetzt sind die alle weg. Mit Vorbildern kann man Nachwuchs motivieren. Und das ist nicht nur im Radsport, sondern in jeder Sportart so.

Ein gesellschaftliches Problem?
Die Frage ist, was will man mit Sport erreichen? Das Gejammer wird immer größer und die Leistungen schwächer. Beispiel Bundesjugendspiele… . Da gibt es keine Urkunden mehr. Sportunterricht: Ist doch das erste, was ausfällt. Und wir reden nicht von Leistungssport, sondern von Sport als Bewegungsform. Trainer sind der nächste Punkt. Ich selbst habe mit 12 Jahren angefangen. Wir hatten immer einen ausgebildeten Diplom-Sportlehrer als Trainer. Seit 15 Jahren führen wir mittlerweile Trainer-Diskussionen. Es wird immer alles mögliche versprochen. Doch die Situation ist eine Katastrophe. Die Probleme sind alle bekannt, nur es passiert nichts.

Und der Nachwuchs bleibt auf der Strecke….
Es gibt in Gera einen Olaf-Ludwig-Pokal, der jetzt zum 17. Mal ausgelobt wurde. Diejenigen, die das machen, schlagen regelmäßig die Hände über‘m Kopf zusammen. Da gibt es Kinder, die können nicht Rad fahren in der vierten Klasse. Und wie gesagt: Wir reden hier nicht vom Leistungssport, sondern von ganz normalen
Bewegungsabläufen. Natürlich muss nicht jeder Rad-Profi werden, aber es sollte jeder Rad fahren oder schwimmen können. Ich hatte kürzlich eine Begegnung mit Kornelia Ender – der Schwimmerin, die mir erzählte, wie viele Kinder gar nicht schwimmen können. Das ist der Wahnsinn.

Wir wechseln mal das Thema: Haben Sie ein E-Bikes?
Nein. Ich habe noch keins. Ist aber eine gute Erfindung. Es bringt viele Menschen wieder in Bewegung und fördert Mobilität.

Hätten Sie heute noch Lust auf Leistungssport?
Ich sehe heute nicht mehr im Leistungssport meine Passion. Gut, ich verfolge alles: Olympia, Tour de France und eben die Klassiker, aber es ist teilweise auch nicht mehr mein Sport. Wissenschaft und Technik nehmen überhand. Die werden ja teilweise nur noch über Funk gesteuert. Nur noch über Anweisungen übers Ohr Rad zu fahren … das ist nicht meins. Dieses Mitdenken und teilweise aus dem Bauch heraus, wie wir gefahren sind, geht immer mehr zurück.

Was ist ihr Motto?
Radfahren ist eine der schönsten und gesündesten Bewegungsformen. Man ist an der frischen Luft. Und mit dem Rad hat man einen einmaligen Bewegungsradius, den gibt es nicht beim Schwimmen, nicht beim Wandern. Wir freuen uns auf viele Teilnehmer bei unseren Rügen-Touren und drücken die Daumen für gutes Wetter. Interview: Ina Schwarz

Infos und Anmeldung zu den Touren:
https://www.stralsundtourismus.de/event/30-tour-d-allee-ruegen

Olaf Ludwig gewann in der DDR zweimal die Friedensfahrt, war Olympiasieger im Straßenrennen 1988 und gewann bei der Tour de France das Grüne Trikot des besten Sprinters. Heute ist er Speaker, Eventmanager, Referent und Trainer rund um den Radsport. Seit 2019 organisiert seine Firma die traditionelle „Tour d´Allée“ auf Rügen. Doch schon zuvor war er viele Male dabei.

Stralsunder Künstlerin brennt für Backstein

Petra B. Feyerherd kreiert Bilder aus Baumaterial und weggeworfenen Materialien

weiter

Der wilde Blüsner

Aus dem Sagenkreis der Halbinsel Mönchgut

weiter

Galerie Circus Eins geht ins Freie

Einmaliges Kunstprojekt auf dem Rondellplatz Circus

weiter

Klein Zicker Berg

Noch bis 1991 war sowjetisches Militär dort stationiert

weiter